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Hintisberg Todi

Allein die Zufahrt an diesem strahlendblauen Morgen lässt erahnen, welch phänomenal schöner Herbsttag sich uns heute präsentieren wird. 

Wir sind fast etwas zu früh dran (eigentlich ungewöhnlich für mich ;-)), dafür schwitzen wir nicht im noch schattigen Anstieg hinauf zur mächtigen Wand. "Das ist schon eine Bastion", rumort es mit meinem Kopf. Ich erinnere mich an unzählige Kletterstunden, die ich hier bereits mit Hari zusammen verbracht habe. Früher gefiel uns das athletische Geturne zwischen und über die Dächer recht gut, steil war geil. Heute bevorzuge ich eher plattiges, kraftsparenden Getänzel. Ausdauer und Kraft sind nicht mehr da, aber - und das ist fast das wichtigste - an Motivation und Lust mangelt es nicht. Persönliche Challenges kreieren, eine gute Zeit mit Freunden verbringen, Natur geniessen. Darum geht es heute, deshalb sind wir hier. Wir, das sind Abdi und ich. Diesen Sommer haben wir uns bereits mehreren solcher Herausforderungen gestellt, heute soll es die Route "Todi" werden, die uns ein kleines Abenteuer bescheren soll.

Die Aufteilung der Seillängen ist schnell gefällt, Abdi soll die schwierigen Längen, also die 2. und 4. SL, vorsteigen. Ich begnüge mich mit der Auftaktseillänge und der dritten. Die Felstemperatur nahezu perfekt geniesse ich die rauhen Strukturen, ein guter Warmup und herantasten an die Bewegungen, welche am Hintisberg gefordert werden: blocken. Blockieren, nach oben greifen, tasten, suchen, immer noch blocken, weiter tasten, bevor die Kraft völlig schwindet sich für einen der (schlechten) Griffe entscheiden und darauf vertrauen, dass etwas besseres kommt. Ja die Wand ist steil und gewöhnungsbedürftig, die Absicherung auch nicht gerade als super entspannt zu betrachten. Hier gilt es nicht selten den leichtesten Weg zum nächsten Bolt zu finden, die Direttissima ist nur selten zielführend.

 

Die zweite SL, je nach Führerliteraur mit 6c+ oder 7a bewertet, beginnt sogleich knüppelhart. Feinste Strukturen wollen blockiert werden, die Füsse finden nur etwas Reibung. Ich bin froh diese Länge im Nachstieg "geniessen" zu dürfen, den Klipp hätte ich mir im Vorstieg nicht zugetraut. So aber erreiche ich den rettenden Henkel, ich bin noch auf Kurs, das macht Laune. Wie so oft am Hintisberg sind die Routen, wo es schwierig ist (in Bezug auf den maximalen Schwierigkeitsgrad der Route) gut abgesichert, in den "leichteren" Längen hingegen muss erstmal weggeklettert werden, bevor der nächste Haken ersichtlich wird. Im steilen Terrain, wo sich mächtig über einem ausladende Dächer erheben, braucht es doch etwas Mut und Kühnheit, die Nähe des sicheren Hafens zu verlassen. Dazu muss ständig verlängert werden, um nicht von der Seilreibung ausgebremst zu werden. Eine luftige Angelegenheit für den Genusskletterer. Doch mir taugt es die Erfahrung walten zu lassen, vorausschauend zu klettern, souverän jeden Zug zu meistern. Das gefällt mir oft besser, als knüppelharte Moves herzuknallen. Von daher war unsere Entscheidung, dass Abdi die harten Seillängen vorsteigt, schon gut getroffen.

 

Am Stand vor der Abschlussseillänge sind wir uns unschlüssig, welches wohl unsere Route ist. Die Wahl fällt leider auf die falsche, wir hängen in der TNT, anstatt rechts in der Todi weiterzumachen. Bereits der erste kleine Bauch entpuppt sich als Murks, der zweite Aufschwung im grauen Fels für uns fast unüberwindbar. Wer hier auf Anhieb die Griff- und Trittkombinationen entdeckt, muss ein höheres Niveau mitbringen. Mit meinen Ärmchen ist hier nichts zu holen, der Pump unendlich. Auch danach bleibt es noch spannend, der dritte Aufschwung geht zwar easy, doch danach verjüngen sich Griffe und Tritte und wer vorher nicht sauber den Seilverlauf überprüft hat, wird spätestens hier verzweifeln, weil er mit der Seilreibung an den diffizilen Strukturen chancenlos bleibt. Klettern mit Köpfchen und (dickem) Bizeps ist das Motto der 4. Seillänge;-)

 

Abseilen geht zügig von statten, theoretisch gesehen würden vielleicht sogar zwei Abseilmanöver mit langen 60er Seilen ausreichen. Wir begnügen uns mit drei und erreichen kurz darauf den sicheren Boden wieder. Vier Seillängen, die völlige Plättung. Krass. Das passiert halt, wenn die Fitness nicht vorhanden, die Motivation aber übermässig stark ausgeprägt ist. Anstatt eine weitere Tour anzugehen, geniessen wir lieber den warmen Herbstnachmittag an der Sonne. Zeit, die prächtige Aussicht zu bestaunen und Ideen für nächste Abenteuer zu schmieden...

 

Hintisberg, Route "Todi"

4SL, 7a (6b obl.)

Absicherung: an den schwierigen Passagen enge Abstände, in den leichteren auch etwas weiter. Mindestens 2 Verlängerungsschlingen mitnehmen!

Fels ist solide und rauh

Etwas inhomogen, aber trotzdem empfehlenswerte Route

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschaftlerin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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