Das Winterklettergebiet rund um San Vito lo Capo am Nordwestzipfel Siziliens war Ziel unserer 12-tägigen Entdeckungsreise. Wir hatten im Vorfeld viel vom Klettern in San Vito gehört, Gutes wie Schlechtes, doch am besten bildet man sich immer seine eigene Meinung, in dem man die Region und ihre Möglichkeiten mit den eigenen Sinnen erkundet.
Im Gepäck nur diesmal viel zu viele Badehosen, Flip-Flops und kurzärmelige Shirts. Woher sollten wir ahnen, dass Ende März Sizilien von Unwettern heimgesucht wird? Anhaltender Sturm für 1 Woche, immer wieder starker Regen oder Schauer und Temperaturen weit unter dem üblichen Badewetter liessen uns anfänglich zweifeln ob der richtigen Wahl des Kletterspots. Doch was einen nicht umbringt, macht einen nur härter und so zogen wir Tag für Tag ins nächste Klettergebiet. Eingepackt in Daune und Primaloft.
Im Nachhinein ist man immer schlauer und so sind wir schlussendlich sogar froh um die Schlechtwetterwoche, die brachte nämlich perfekte Kletterbedingungen. Der Grip am Fels war fantastisch, selbst die Routen nahe am Meer schluzten nicht wie sonst üblich bei Windstille und 20 Grad. Wer vom Deep Water Soloing auf Mallorca den Fels kennt, weiss von was ich rede. Da gibts nämlich Tage, wo der 6b Henkel-Zustieg in Porto Cristo schlichtweg unmachbar ist, weil der Fels so humid ist und damit very slippery.
Überhaupt ist die Felsvielfalt in San Vito überragend. Da schlummern Grotten und steile Überhänge mit Sintern und Blobs übersäht, Ausdauer ist Trumpf, dann warten diffizile Wandklettereien an scharfkantigem, wasserzerfressenem Fels, dann wiederum rötlich-graue "Sea-Cliff" Routen mit ultrakraftigen Moves, wo man von Loch zu Loch an grossen Griffen dynamisiert, dazwischen eine glatte Wand ohne Reibung. Genusskletterer werden erstaunt sein, wie viele Möglichkeiten für sie geschaffen wurden, nix Bruchhaufen, wunderschöner Kalk in allen Farbtönen.
Auch wenn der Jubel ob der Klettermöglichkeiten gross, die Absicherung ist oft fragwürdig und kann keinesfalls mit der Professionalität in Geyikbayiri und Kalymnos mithalten. Hier wird sich in Zukunft die Klettercommunity Gedanken machen müssen, wie/wer die Sanierung von Routen übernimmt. Zum Beispiel die "Lost World", die Grande Grotta von San Vito. Warum wurden hier keine nichtrostenden Bohrhaken verwendet??? Schade um das traumhafte Stück Fels! Oder in der Grotta Cala Mancina, beim Sturz in der Crux der "Banana Biologica" fiel Harry kopfüber und schlug mit dem Kopf gegen den Fels. Der Bohrhaken sitzt extrem ungünstig unter dem Überhang, der nächste erst nach der Crux weit oberhalb und die Crux erfordert einen Hook. Einfach nur dämlich. Doch leider bildet die Route keine Ausnahme, wir haben zahllose Routen geklettert, wo die Bohr- und Klebehaken wahllos, anfängermässig, völlig unüberlegt gesetzt wurden. Wirklich Schade. Ganz zu schweigen von den self-made Haken und self-made Umlenkern, die es volle herbiegt!!! Ich fordere nicht nahe Hakenabstände, sondern das überlegte Setzen von genormten Haken. Die Crux darf ruhig obligatorisch zu klettern sein, doch bitte ungefährlich!
Ein weiterer Negativpunkt liefert der Ort San Vito, Urlaubsfeeling kommt hier sicherlich nicht auf. Vor April sind fast alle Restaurants, Bars, Gelaterias, etc. geschlossen, sich mit einer einzigen geöffneten Touristenfalle am Abend zu begnügen ist weniger zufriedenstellend, da es doch so gutes Essen auf Sizilien gibt. Das Dolce Vita bleibt leider aussen vor.
Doch wer suchet, der findet. Das Ristaurante Alfredo, etwas versteckt gelegen, versöhnte uns mit typisch sizilianischer Kost und einem Besitzer (Alfredo), der aus seinem Leben als Schiffskoch jede Menge zu erzählen weiss, oder auch die Pizzeria in Macari, die exzellente Busiata zubereitet, dazu mit toller Aussicht aufs Meer. Dann die vielen netten Momente und Begegnungen, wenn wir unsere 3 Brocken Italienisch haben anbringen dürfen, von herzlichen, gastfreundliche Menschen umgeben. Oder die Rally Paris-Dakar mit dem kleinen Leihwagen in die Cala Mancina, wo uns kurzzeitig das Herz in die Hose rutschte, weil der Schlamm tiefer als vermutet war. Das entspannende, stets begleitende Rauschen des Meeres beim Klettern, die vielen "a muerte's!", der alltägliche Pump und Muskelkater vom Non-Stop-Klettern, das erste Baden im kühlen Meer, ...
Neue Gebiete zu entdecken ist einfach spannend und erlebnisreich. Wer von einer Reise zurückkommt und nichts erzählen kann, der hat etwas falsch gemacht, definitiv!
Routenempfehlungen
- Ciciulo A.A., im Sektor Bunker
- un mondo a parte, im Sektor Canalino
- Gayordo, im Sektor Grotta della Palma
- Rosso e Nero, im Sektor Pipeline
- Soul Kitchen, im Sektor Cinema Paradiso
- Enoteca Randazzo und long sleep, im Sektor Never Sleeping Wall
- Banana Biologica, im Sektor Grotta Cala Mancina (Achtung Sturzgelände in Crux schei....)
- Novantanonno und Troppo Duci, im Sektor Crown of Aragon
Viele weitere Routen haben uns begeistert, entweder wegen der Linie, dem schönen Fels oder dem Gesamtambiente. Lasst euch von der Bewertung nicht abschrecken, die meisten Touren sind eher hart für den Grad (zumindest zwischen 6a+ und 7a+), ein + dazu sollte man beim Einsteigen im Kopf bereits haben. Weiter oben bei der Skala scheinen einige Routen wieder zu passen bzw. überbewertet zu sein, da kursiert z.B. das Gerücht der leicht zu habenden sizilianischen 8a's....
weitere Infos
Wer rastet der rostet. Doch für ein Kletterbreak bietet sich z.B. der Zingaro-Naturpark an, tolle Landschaft und schöne Badebuchten. Mountainbikes können zum Erkunden der Gegend beim YMCA-Climbing-House ausgeliehen werden, ebenso gibts dort News zu neuen Routen bei einem gemütlichen Cappucino oder auch sonst viel Lesestoff, wenns mal regnet.
Als Unterkunft bietet sich das sehr sauebere und gepflegte Bed & Breakfast "Terra del Sole" in Makari an. Enza bereitet jeden Morgen ein ausgiebiges Frühstück mit Obstsalat, selbstgemachtem Kuchen, Croissants, Sandwiches etc. zu. Ausserdem liegt man nur wenige Autominuten vom Crown of Aragon, Salinella Sud, San Vito etc. entfernt, hat kein Parkplatzproblem und wohnt etwas ruhiger.
Als weitere Restaurantempfehlung zu den oben bereits erwähnten möchte ich noch das Sapori di Sicilia erwähnen, auch wenn es sehr touristisch ist, die Bedienung ist stets bemüht, die Pizza ist klasse. Und der Oberkellner einfach die Wucht, ein klassischer Gigolo, aber sehr sehr nett und zuvorkommend.
Neben an das Syrah muss auch recht gut sein, wir haben es aber nicht getestet.
Delphi und Cozzaro sind Touristenfallen, lieber einen grossen Bogen drum machen. Sonst war noch alles geschlossen bei uns.
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uli (Dienstag, 17 November 2015 12:14)
hallo,
schöner artikel.
wir gehen seit 3 jahren mit 2 familien, bald das vierte jahr zum klettern nach sizilien.
immer an pfingsten und dann pulsiert das leben in sanvito. die gesamte flaniermeile in der innenstatdt ist abends voll mit italienischen familien. das schöne ist, dass man sich dann wie beim badeurlaub vorkommt, da die outdoorsportler meist auf dem campingplatz bleiben, bzw. viel zu wenige sind gegenüber den italienischen badegästen.
da unsere kinder kaum bis gar nicht klettern freuen sie sich über den tollen strand und den relaxten meerurlaub. das ist eigentlich gegenüber den meisten anderen spots am meer für uns der große vorteil. der strand direkt am dorf und die kletterfelsen im umkreis von max. 5-20min. die eltern können klettern und die kinder können (ein gewisses alter vorausgesetzt) allein zum "chillen an den beach". nachmittags trifft man sich dann in den wellen.
es gibt sicher auch andere familein bei denen nicht der gesamte hausstand vom kletterfieber gepackt ist, und für die ist es einchter topspot.
grüße und noch eine gute zeit
uli