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Wendenhorn SE-Grat

Ein Tag ohne Gewitter = ein Tag ohne Zeitdruck. Einfach relaxed die Bergwelt geniessen, ohne Hast und Eile, aber doch stetig und flüssig voranschreiten, die Symbiose aus Seilschaft, Route und Landschaft walten lassen. So mag ich Bergtouren, so ein Tag war heute.


Um die 9 Uhr schultern wir Sack und Pack am Sustenbrüggli und steigen grösstenteils weglos hinauf zum ständig sichtbaren Wendenhorn SE-Grat, dessen Einstieg, mit einem BH markiert, etwas rechts des tiefsten Punktes ist. Wir folgen netten Seillängen in meist griffigem Gneis, immer der Nase in logischer Routenführung, einem Art Riss, der von unten bis oben den Vorbau durchzieht, hinterher. Das Gelände wird leichter, dann erheben sich kleine Aufschwünge, doch im Prinzip immer der Kante entlang als grobe Orientierung und meistens findet sich auch ein BH, wenn man mal wieder gerade nicht mit dem Gesicht direkt davor steht.


Wir verkürzen unser 60m Strick und steigen oft gleichzeitig auf, steilere oder unübersichtlichere Passagen sichern wir vom Standplatz aus. Auch wenn Susanne und ich heute zum ersten Mal eine Seilschaft bilden, wir klettern zusammen, als wären wir schon seit Jahren ein eingespieltes Team. Da kommt Kletterfluss auf, das macht Freude! Im oberen Drittel schliessen wir auf eine weitere Frauenseilschaft auf, die Hausfrauen am Berg unter sich;-)


Ein gut gesicherter steiler und homogener Aufschwung folgt, kleine und grössere Schuppen als Griffe lassen das Kletterherz höher schlagen, schade, dass der Spass so kurz ist. Danach wird der Grat blockiger und markanter bis ein letzter steiler Aufschwung, der mit guten Griffen aufwartet, das Ende einleitet und auf den geräumigen Gipfel des Wendenhorns hinüberführt.


Freier Blick auf die markante Titlis Südwand gegenüber, Gross Spannort lugt unverkennbar im Nordosten hervor, das Sustenhorn im Süden und ja ich könnte noch hundert andere Gipfel benennen, die Rundumsicht ist echt grossartig. Der Blick auf die Uhr überrascht uns, es ist erst halb Zwei, als wir uns an den Abstieg machen. Die Frauenseilschaft vor uns steht noch beim ersten Abseilstand, wir müssen höllischst auf die vielen losen Steine aufpassen, Steinschlag ist beim Abstieg durch die brüchig-schuttige Flanke fast unvermeidbar, erst ab der Mitte (ein grosser Steinmann) verläuft der Weg mehr querend abfallend, so dass eventuelle Kaliber mit Abstand vorbeirauschen würden.


Lustig ist dann noch das Hinabrutschen mit den Trailrunningschuhen über den doch recht steilen Gletscher. Susanne schafft sogar ein paar Kurzschwünge, ich versuche mich eher an den "Big turns". Mit viel Gelächter und nassen Schuhen erreichen wir in kürzester Zeit wieder die Einstiegshöhe und steuern gleich weiter Richtung Auto am Sustenbrüggli. Das weglose, echt steile, überwachsene Moränen- und Gletscherschliff Gelände fordert dann doch nochmals seinen Tribut, die Konzentration ist halt schon beim Baden im Urnersee, wir landen mehrmals auf dem Po.


Doch spätestens das kühle Bad im Urnersee wirkt revitalisierend, dazu ein Eiskaffee, eine erfrischende Molke und ein Urner Chäs mit Semmel zum Z'vieri, mmmhh, und wir träumen schon von den nächsten Touren....





Info:

Ein gratis Topo gibts auf der Sustlihütte-Webpage: http://www.sustlihuette.ch/assets/wendenhornse.pdf


Fazit:

Abwechslungsreiche hochalpine Gratkletterei, die durch die zahlreiche Behakung wohl wieder zum Leben erweckt worden ist. Standplätze sind mit 2 BH ausgerüstet worden, dazwischen an den schweren Stellen neue Bohrhaken. Abseilstände vorbildlich mit Kette. Und doch, wer nicht eingespielt als Seilschaft agiert wird viel Zeit auf der 500Hm-Kletterstrecke liegen lassen. Ein ständiger Wechsel aus Standplatzsichern, gleichzeitiges Klettern am mittellangen Seil und gleichzeitiges Höhersteigen am kurzen Seil ist gefordert um relaxed in unter 4h am höchsten Punkt die grandiose Aussicht geniessen zu dürfen.

Der Abstieg entpuppt sich als harmloser als er ausschaut, aber äusserste Konzentration ist trotzdem gefordert um nicht die brüchige Schotterflanke gänzlich Richtung Tal zu befördern. Besondere Vorsicht ist angebracht, wenn sich mehrere Seilschaften im Abstieg befinden! Im Prinzip kann auch fast alles abgeklettert/abgestiegen werden, einmal abseilen 10m unterhalb des Gipfels in die Rinne und dann nochmals von der Gratschulter und zu guter letzt einmal auf den Gletscher. 50m Einfachseil ausreichend. Es hat Wegspuren und wenige, aber markante Steinmänner, logischer Abstieg.

Wenn der Gletscher wie bei uns heute noch gut eingeschneit und weich ist, können Pickel, Steigeisen und Bergschuhe zu Hause bleiben. Spassige Rutschpartie garantiert;-). Im Prinzip brauch es auch keine Friends oder Keile, jedoch 2-3 Schlingen für Zacken und Köpfl und 8 Express. Gemütliche, ausgelatschte Kletterpatschen sind angenehm, da teilweise doch recht plattige Tritte verwendet werden.




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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschaftlerin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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