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Skitour Pizzo Pesciora von Ronco

Schon seit langem wollte ich dem Pizzo Pesciora, mit seiner Kletterstelle kurz unter dem höchsten Punkt, einen Besuch abstatten. Ziemlich pfeilgerade ist der Anstieg von Ronco aus, ohne viel Schnickschnack, Höhenmeter statt Wegstrecke. Bereits der Anfang kostet viel Kraft. Der steile Wald ist am Morgen pickelhart gefroren, auch wenn die Spur gut ist, immer wieder rutscht der Ski zurück. Zum Glück bin ich nicht früh dran (Start um 9:45Uhr) und wo die Sonne bereits den Schnee erreicht hat, ist dieser leicht angesulzt. Zu meinem Erstaunen bin ich die Erste an diesem heutigen, wolkenlosen Tag. Die anderen beiden Paare habe ich bereits am Parkplatz bzw. beim Einstieg in den Wald überholt. Wegen den vielen Windverfrachtungen der letzen Nacht ist die Aufstiegsspur ab ca. 2200m zugeblasen. Ich muss komplett neu spuren.

 

Die frischen, zum Glück kleinen und überschaubaren Triebschneeansammlungen sind auslösebereit, bei einem Test in flacherem Gelände hat sich das Triebschneepaket mit Rissbildung mit einem lauten Wumm spontan gesetzt. Ok, ich bin schlagartig wach und aufmerksam.

 

Das Gelände ist schön gestuft und nie steil, das Spuren trotzdem mühsam, da der Schnee nicht federleicht ist. Immerwieder muss ich die Kruste durchbrechen, dann folgt ein härteres Stück, dann ein weicheres. Wechselnde Verhältnisse. Allerdings ist es fast windstill und die Sonne lacht herrlich vom Himmel, ich lasse mir Zeit und hoffe insgeheim, dass die beiden anderen Gruppen zu mir aufschliessen. Mein Wunsch wird allerdings nicht erwidert, ich bleibe alleine. Der Steilaufschwung auf ca. 2800m stellt mich dann vor eine grössere Herausforderung. Zum einen ist der Schnee sehr tief und hart zum Spuren, zum anderen bin ich unschlüssig, wegen den Verhältnissen. Ich wähle die sicherste Linie, in vielen Spitzkehren halte ich mich an die alten Abfahrtsspuren und bleibe in diesem Korridor. 

 

Schliesslich ist das Skidepot in Sicht. Mit Steigeisen und Pickel geht es recht unkompliziert ab dem Passo Superiore di Pesciora bis zur Schlüsselstelle, die sich als ein 2-Move-Wonder entpuppt. Ein liegender Kamin, der am oberen Ende von einem kleinen Klemmblock versperrt wird. In der rechten Wand finde ich eine kleine Leiste für das rechte Steigeisen, die linke Hand greift den griffigen Klemmblock, einmal Hau-Ruck und schon ist das linke Bein oben auf einem kleinen Absatz. Das hatte ich mir schwieriger vorgestellt, ok, mal sehen was der Abstieg bringt....

 

Es ist wunderbar am Gipfel zu sitzen und in die Ferne zu blicken. Stille umgibt mich. Kälte. Aber ich bin dick eingepackt. Für vermutlich eine Viertelstunde lasse ich das Panorama auf mich wirken. Ich war schon lange nicht mehr alleine unterwegs.

 

Kurz vor dem Skidepot stosse ich dann auf die anderen. "Ob es auch ohne Steigeisen geht?" Nunja, gehen tut vieles, aber warum das erhöhte Risiko? Sie hätten keine dabei. Ich murmelte noch was von "es hat eisige Stellen", aber die beiden waren schon zu sehr auf ihren Aufstieg fokussiert. Im Schneckentempo klettern sie also Richtung Gipfel weiter. Wie sie sich beim Abstieg getan haben, hätte mich dann schon noch interessiert...

 

Manchmal frag ich mich schon, was in den Köpfen meiner Mitstreiter so vor sich geht, was sie denken? Vermutlich oftmals nicht viel und es verwundert mich immer wieder, dass nicht mehr passiert. Oder umgekehrt sogar, dass es oftmals nicht die Unbedarften erwischt, sondern die Erfahreneren!?! 

 

Der eine aus der zweiten Gruppe hatte noch nichtmal realisiert, dass er als Vierter für heute der frischen Aufstiegsspur gefolgt war. "Ziemlich mühsam der Wald am Anfang", meinte er zu mir beim Skidepot. Ich entgegnete nur, "jaja, aber der Steilaufschwung jetzt zum Schluss, der war erst heavy zum Spuren und gar nicht so ohne". "Wieso, ach , du hast gespurt???" No comment.

 

Blindes hinterherhatschen. 

 

Ich möchte mich hier definitiv nicht als den Experten hinstellen, aber mir fällt nur allzu oft auf, dass Leute keinen blassen Schimmer haben, wie sie die Verhältnisse zu beurteilen haben. Wie kann ich entscheiden, welches Risiko ich bereit bin einzugehen, wenn ich die Beurteilungsgrundlage gar nicht habe???

 

 

 

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschaftlerin, MSc

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