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Klettern an den Aiguilles Dorées

Der Zufall wollte es wohl so, dass wir genau in dem Zeitfenster, welches wir Wochen vorher festgelegt hatten, die Schönwetterphase schlechthin haben sollten. Perfekt, um hoch oben rund um das Dorée Biwak klettern zu gehen. Ohne Gewittergefahr, ohne Stress bei der Abseilerei, ohne ständig Wetterbericht zu checken, der ohne Handynetz dort oben am Biwak eh nicht abzurufen geht. Dafür galt es die 20kg-Sau mit Proviant für 4 Nächte von der Bergstation des Sessellift Breya über Cabanne Orny und Trient bis zum Biwak zu schleppen. Eine mühsame Angelegenheit, die nur durch die Vorfreude auf fantastische Klettermeter im rötlichen Granit auszuhalten war. 

 

Dabei fing die Mission Granitklettern eher gedämpft an. Die Route "Retour en Afrique" versprach leider nicht das, was wir uns erwartet hatten. Ob es an der mangelnden Vorbereitung meinerseits (ich war die Saison nur ein einziges Mal im Granit klettern) lag? Aber auch die Felsqualität konnte bei weitem nicht mit dem mithalten, was wir anderntags in der Piola-Tour an der Varappe erleben sollten. Inhomogen und irgendwie schräg von der Absicherung. In der vorletzten Länge habe ich dann sogar einen Rückzug angetreten, zu heikel schien mir die Kletterei entlang einer Art Verschneidung, die aber nicht abzusichern ging.

 

Mehr Erfolg hatten wir dann am nächsten Tag an der Aiguille Varappe. Als einzige Seilschaft in den Mega-Klassiker bei T-Shirt-Wetter einsteigen zu können, ein Geschenk. Die "Eole danza per noi"folgt einer logischen Linie entlang von Rissen, Schuppen und verschwenderisch griffigen Gesteinsstrukturen. Ein Fest. Bis ich dann an den Stand der vorletzten Seillänge kam. "Du bist dran", schlotter schlotter, der Angstschweiss kroch unterm Helm hervor. Die Bilderbuchverschneidung im sechsten Grad weist auf 40 m nur 1 Bolt auf und ich bin ja nicht so der Selbstabsicherer. Meistens konzentriere ich mich mehr aufs Klettern und lege nur etwas, wenn ich es im Vorbeilaufen grad so flüssig setzen kann. Aber diese glatte, steile Verschneidung? Wir hätten 2 Sätze Camalots dabei gehabt, ich hatte für mich aber mal wieder nur einen an den Gurt gehangen, sowie die drei mittleren Grössen in doppelter Ausführung. Leichtsinn, den ich beim Klettern büssen musste. Zum Glück hatte ich die grossen Grössen am Anfang noch nicht verballert, der Riss in der Verschneidung wird nämlich zunehmend breiter nach oben hin. Und doch forderte mir dieses Ding psychisch alles ab. Ausgelaugt am Stand angekommen war ich dann froh das Zepter Henriette nochmals für die Schlusslänge in die Hand geben zu dürfen. Die Abseilfahrt, zum Glück ohne ernsthaften Seilverhänger, aber doch ziemlich zeitraubend und nervenaufreibend. Eine Abseilpiste würde dan der Aiguille Varappe nicht schaden....grosse Tour, grosses Erlebnis, grosse Genugtuung.

 

Was sollte noch kommen nach so einem wunderbaren Klettertag an der Aiguille Varappe? Die Hände zerschunden, die Füsse geschwollen, die Muskeln zäh und starr. Ausschlafen war angesagt und wir drehten uns noch dreimal um, als der Wecker um 8Uhr klingelte. Doch wie so oft, hat man sich erstmal aus dem Schlafsack geschält, Kaffee gekocht und in aller Gemütlichkeit gefrühstückt (und das geht besonders toll auf dem Dorfe Biwak mit dem Panorama und der Morgensonne!), kehren auch die Lebensgeister zurück. Abmarsch zur dritten Tour im Gebiet, der "Dorées les balades". Eine Toptour! Über 8 Seillängen, abwechslungsreich und mit DER Seillänge überhaupt, wartet hier mit relativ kurzem Zustieg ein Highlight. In dieser Route wird auch Eigenengagement im Absichern verlangt, wer den Schwierigkeitsgrad allerdings beherrscht, wir mit wenigen Camalots/Keilen auskommen. An den entscheidenden Stellen steckt ein Bolt. Die sechste und siebte Seillänge sind wirklich ein Festmahl für Granitliebhaber! Nur die Abseilerei hat 2 obligatorische Seilverklemmerstellen parat. Ein Maillion rapide an einem Bolt, sowie eine Schlinge um einen Block mit Maillion weisen auf die Verhänger bereits im Anstieg hin. Hier also etwas Zeit zur Seilbefreiung einplanen...

 

Das Dorée Biwak ist in 2 Hälften unterteilt, eine immer zugängliche und eine nur mit Schlüssel zu öffnende Seite. Fliessend Wasser gibt es keines, aber sonst wirklich alle Annehmlichkeiten, die man sich vorstellen kann. Getränke, Gasherd, Licht, WC und sogar eine Handyladestation (eigenes Kabel mitbringen). Hier lässt es sich aushalten und ich hoffe, dass auch in Zukunft die Hütte so schön sauber und gepflegt bleibt, wie wir sie bei unserer Ankunft vorgefunden hatten. Interessante Persönlichkeiten trifft man hier oben, Gleichgesinnte, die eben auch einfach gern in den Bergen unterwegs sind. Besonders bereichernd war eine junge Gruppe (15-20Jahre) von Kletterern, die gemeinsam mit ihrem Bergführer hier 3 Tage klettern waren. Aufgeweckte, gut erzogene Burschen, mit Elan und Pepp. Eine schöne Geste von ihnen uns heissen Tee auf den Tisch zu stellen, als wir verschwitzt und müde das Biwak erreichen. Willkommensdrink sozusagen. Aber auch der Abend mit den beiden Gourmetköchen gestaltete sich amüsant, ein Haubenkoch auf dem Doree Biwak hätte kein besseres Festmahl kredenzen können: Rinderfilet mit Bandnudeln in einer Sauce aus frischen Kräutern, unglaublich! Dazu ein Gläschen (oder zwei, drei) Rotwein. Und am Morgen duftender Espresso aus frischgemahlenen Bohnen. Besser konnte der Abschied gar nicht verlaufen....

 

Wir kommen wieder Doree Biwak, keine Frage. Nur das mit der Bucklerei muss noch etwas optimiert werden...ich muss mir wohl mal einen Helipiloten anlachen ;-)

 

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschaftlerin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

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Autorin Trailrunning Guidebook

 

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