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Bietschhorn von Ried im Lötschental

Ihm fehlt nicht viel, um die 4000m-Marke zu knacken. Und doch bleibt das Bietschhorn ein 3000er, der sicherlich auch deshalb etwas weniger Beachtung unter den Bergsteigern findet. Dabei überragt das Bietschhorn nicht nur durch seine formschöne Gestalt seine Nachbarn, der felsige Gipfelaufbau mit seinen brüchig-grauen Flanken und rötlich gefärbten Rippen dazwischen lässt rein optisch das Bergsteigerherz höher schlagen. Doch aus der Nähe betrachtet bröselt das Bietschhorn dann doch gewaltig, die Geschichten vom Westgrat, welcher vornehmlich als Abstiegsroute verwendet wird, schrecken anscheinend die Scharen ab. Wir waren an einem wunderbaren Spätsommertag jedenfalls die einzigen Personen am Berg. Umso mehr Zeit im Anschluss auf der kleinen, urigen Bietschhornhütte im Nachmittagslicht mit Hüttenwirtin Cornelia am grossen Steintisch bei einem köstlichen Aprikosen- und Mandelkuchen zu quatschen.

 

Wir starteten unsere Reise auf das Bietschhorn gegen 8:30Uhr in Ried im Lötschental. Noch liegt der gesamte Talgrund im Schatten und auch der komplette Anstieg bis zum Bietschjoch wird im kühlen Schatten verlaufen. Der gut angelegte Wanderweg zur Bietschhornhütte führt zunächst durch ein liebliches Wäldchen, ein richtiger Singletrail, der besonders zum Abschluss der Tour noch Spass macht, auch wenn der Saft schon draussen ist. Da das Bietschhorn bereits vom Talgrund sichtbar ist, erdrückt die Dimension ein wenig. Dieser Umstand zieht den Anstieg gehörig in die Länge, obwohl die zu bewältigende Wegstrecke für die vielen Höhenmeter minimal ist. Ein steiles Teil, besonders nach der Bietschhornhütte zum Bietschjoch hinauf hätte ich mir einen Heli gewünscht. Etwas monoton, aber durchwegs super markiert, führen Wegspuren über Schutt und kleine Felsstufen in unendlich vielen Kehren und Schlaufen auf das Joch hinauf, wo uns endlich die Sonne begrüsst. 

 

Die Stimmung und Atmosphäre wechselt schlagartig. Wärmende Sonnenstrahlen, lichtdurchflutet, das Gegenteil vom düsteren Nordanstieg. Aber auch das Ausmass des langen Westgrats wird deutlich: hier werden wir uns noch länger zwischen instabilen Blöcken und brüchig-schuttigem Fels bewegen. Um den Westgrat zu erreichen, quert man entweder über Schneefelder (je nach Fortschritt der Saison) oder Schutt auf Eis und noch viel mehr instabile Blöcke hinüber unter dem Schafberg hindurch zum Rücken, der von P. 3049 hinunterzieht. Steinmänner und Wegspuren leiten im Prinzip den ganzen, folgenden Anstieg über den Westgrat bzw. die Flanke bis hinauf zum Gipfel. Nur finden muss man es. Im Abstieg tatsächlich deutlich leichter auszumachen, im Aufstieg folgten wir leider all zu oft nicht der Ideallinie. Es wird dadurch zwar nicht schwieriger, aber mühsamer, da brüchig.

 

Hinzu kam ein Reif, der die Felsen und Blöcke auf der Schattseite unangenehm überzog. Somit musste man jederzeit damit rechnen, auf dem Felsblock auszurutschen. Zum Glück verläuft der Grossteil der Route auf der Südseite unterhalb des Grats in der Schuttflanke. Der Fels am Grat selbst in unerwartet gut, wer also klassisch mit Seil und Geraffel unterwegs ist, für den würde ich den Aufstieg direkt über den Grat empfehlen. Schaut nach netter Kletterei aus!

 

Besonders der letzte Abschnitt über den roten Aufschwung und den anschliessend schmalen Felsgrat begeistert am Westgrat, leider muss dafür vorher über 2000Hm zurückgelegt werden. Eine magere Ausbeute also, kommt man nur wegen der Kletterei, die eigentlich auch fast keine ist. Wer aber schön geformte Berge mag, "gletscherlos" unterwegs sein will und somit auf Hochtourenausrüstung verzichten kann, aber brüchiges Gelände nicht scheut, dem sei das Bietschhorn über den Westgrat durchaus empfohlen. Die Aussicht von dort oben ist fantastisch und ein so hoher "Turnschuhberg" ist immer ein besonderes Erlebnis und rar.

 

 

Facts:

Ried im Lötschental - Bietschhornhütte in 1:10h

Ried - Bietschhorn in 3:55h

Mini-Crampons hatten wir dabei, blieben aber im Trailrunningrucksack.

Crux: Kletterei bis 3a (aber nur ein kurzer Aufschwung) und ein exponiertes Gratstück danach (II), das meiste ist brüchiges Gehgelände über 500Hm!

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschaftlerin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

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Autorin Trailrunning Guidebook

 

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