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Portjengrat : auf den Pizzo d'Andolla

Irgendwann hatte ich Hari wohl zu stark mit meinem Portjengrat genervt, bis die Idee, am Sonntag den Portjengrat zu machen, über seine Lippen wanderte. Natürlich - ich bin dabei! Aber Halt, wie sind die Busverbindungen nochmals nach Saas-Grund und Visp retour? Geht sich das als Tagestour für uns von Spiez überhaupt aus? Ich erinnere mich an eine Tour, die Drei Horlini Überschreitung, als wir auf dem Rückweg (auf Höhe Almagelleralp) bemerkten, dass wir rennen müssten, um den nächsten Bus zu erwischen. Prompt stolperte Hari am Wanderweg und schlug sich das Knie auf. Schliesslich mussten wir den Weg von Saas-Almagell nach Saas-Grund zusätzlich noch anhängen...

 

Diesmal sollte die Planung besser sein, ich ging also immer und immer wieder die vermuteten Durchgangszeiten durch. Es sollte sich ausgehen, wenn auch nur ohne viel Spielraum. Dass wir dann um ein Vielfaches schneller sein würden, ist eine andere Geschichte und meiner mangelnden Einschätzung meiner Selbst geschuldet...

 

Der Weg zur Almagellerhütte kenne ich in- und auswendig. Fast schon ein "Homerun" sozusagen. Etliche unserer Ferien haben wir im Saastal verbracht. Einfach immer wieder schön die Region und vor allem so vielfältig und mit unendlich viel Potenzial für Genusstouren bestückt. Wer dort Ferien macht, bekommt die Saastal Card und die beinhaltet u.a. freie Fahrt auf allen Bergbahnen. Das ist grossartig, wenn man bedenkt, dass die meisten Touren mit Bahnunterstützung gemacht werden können. Nur der Portjengrat muss ehrlich erarbeitet werden. Also hatschen wir einmal mehr in 1:40h zur Almagellerhütte hinauf. Schweres Gepäck lastet keines auf unseren Schultern, ich trage überhaupt nur einen Trailrunningrucksack mit mir. Hari hat zumindest ein 30m Seil, 2 Camalots und drei Expressschlingen als "grosses Gepäck" im Rucksack.

 

Der Hüttenwirt der Almagellerhütte sieht uns beim Wasser tanken und begrüsst uns gleich herzlich. Letztes Jahr waren wir öfters bei ihm, u.a. bei der Produktion der SRF Doku "keep on running", wo wir aufs Weissmies sind. Es hatte sich herumgesprochen, dass da ein verrücktes Päarchen immer wieder die Bergwelt rund um Saas-Grund/Saas-Almagell unsicher macht ;-). Wir plaudern und versichern ihm, nach unserer Tour auf Rösti und Panaché vorbeizukommen. Über den blau-weiss markierten Wanderweg Richtung Sunnigpass erreichen wir zügig in gut 1 Stunde den Einstieg zum Portjengrat. Er ist kaum zu verfehlen, mit gelber Schrift steht gepinselt "HAVE FUN". Den werden wir haben. Die Kletterei ist wirklich fantastisch, verschwenderisch griffig und vor allem verläuft sie in durchwegs festem Fels. Eine wirkliche Genusstour! Vom Auftakt darf man sich nicht abschrecken lassen, die ersten Seillängen hinauf zum Grat sind das schwierigste der gesamten Route. Schlaghaken und Fixfriends weisen den Weg, bevor man zum Eisengriff gelangt, mit dessen Hilfe man eine Steilstufe überwindet.

 

Es folgt viel "Gehgelände", wo wir das Seil wieder verstauen können. Meter um Meter, es geht Schlag auf Schlag. Wir überturnen griffige Aufschwünge, Felsnadeln stehen aus dem gezackten Felsgrat elegant raus. Auf der Italienischen Seite hängen die Wolken, auf der Schweizer Seite strahlt die Sonne. Die Gratschneide kommt durch dieses Ambiente noch besser zur Geltung. Fantastisch! Ich schwärme vor mich hin, als wir die Wolken hinter uns lassen und nur noch sonnenverwöhnten Fels greifen dürfen. Steilere oder ausgesetzter Passagen sichern wir, ansonsten läuft sehr viel am gestreckten Seil bzw. ganz ohne. So erreichen wir schneller als gedacht nach 2 Stunden bereits das kleine Gipfelkreuz am Pizzo d'Andolla. 

 

Und auch der Abstieg hält noch originelle Passagen bereit, gleich zu Anfang. Mit einem 15m Abseiler über eine Platte erreicht man Blockgelände, das von grossen Türmen und Felszacken gesäumt wird. Puhhh, hier kommt man ohne Abseilmanöver und schwierige Kletterei durch? Ein Blick auf die Beschreibung bestätigt, dass maximal der II. Schwierigkeitsgrad erreicht werden sollte. Und siehe da, in der Tat entpuppt sich dieser Abschnitt als humaner als er aussieht. Man schlüpft durch Felsspalten und umgeht so die wahnwitzigen Felsnadeln. Sehr elegant. Ich bin begeistert. Schliesslich wird der Grat breit und zu einem Blockrücken. Steinmänner weisen ab nun an den Weg durch die unendliche Blockwüste hinab zur Almagellerhütte zurück. Wir haben vom Gipfel 1:30 benötigt. Danach kommt einem der blau-weisse Wanderweg als Autobahn vor ;-). Die Fussgelenke wurden jedenfalls massiv trainiert, Stabilitätstraining par excellence.

 

Umso erfrischender das kühle Panaché in der Hütte und das deftige Rösti mit Ei. Es ist ganz schön was los, die meisten Bergsteiger sind vom Weissmies retour und sammeln ihre sieben Sachen in der Hütte zusammen. Wir plauschen erneut mit dem Hüttenwirt. Die Saison wäre noch gut, wenn auch speziell, weil die Hohsaas-Route in einem so schlechten Zustand ist, dass sie kaum noch begangen wird. Weissmies-Begeher müssen also über die Almagellerseite wieder retour, was einen deutlich längeren Abstieg bedeutet. So übernachten manche Bergsteiger ein zweites Mal auf der Hütte, andere bleiben fern. In Summe ein Nullsummenspiel, also ausgeglichen. Ich frage ihn auch noch, ob seit der SRF-Doku mehr "Trailrunner" am Weissmies unterwegs sind. Er verneint, ich bin beruhigt. Entweder hat niemand die Doku gesehen, oder aber meine Warnungen haben Wirkung gezeigt. Das Weissmies in Turnschuhen und Trailrunningausrüstung zu begehen, ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Zuerst sollte man grundsolide Bergsteigen lernen, erst dann kann man über solche Spirenzchen nachdenken.... 

 

Fazit Portjengrat:

- traumhafter Fels und wunderschöne Linie. Ein 30m Seil ist gerade ausreichend. 2 Camalots dabei zu haben, kann nicht schaden. Der Fels in den ersten Längen zum Grat hinauf ist eher plattigen Charakters und mit dünnen Rissen durchzogen, geeignetes Schuhwerk für solche Passagen wählen...

- rund um die Almagellerhütte gibt es noch viele weitere Genusstouren wie die Dri Horlini, eine Übernachtung dort oben bietet sich also an, zumal die Hütte sehr nett ist.

- wir hatten weder Pickel noch Steigeisen mit, da im Zustieg der Gletscher soweit abgeschmolzen ist, dass er kaum noch ersichtlich ist und im Abstieg das Firnfeld bereits komplett abgeschmolzen war. Vorher erkundigen, wie die momentanen Verhältnisse sind.

- herber Auftakt, die ersten Meter zum Grat hinauf sind die schwierigsten (zumal im Schatten, evtl. vereist am Morgen)

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Kommentare: 2
  • #1

    Raphael Raphael Wellig (Mittwoch, 25 Oktober 2023 21:29)

    Hallo Patricia und Hari
    Ich gratuliere Euch zu den vielen super schnellen Begehungen. Ihr lebt den Berg, und seit mit dem Berg und den Elementen verbunden.
    Ich wünsche Euch viele unvergessliche Bergtouren.
    Mit alpinen Grüssen
    Raphael Wellig

  • #2

    Patricia Neuhauser (Freitag, 27 Oktober 2023 09:03)

    Herzlichen Dank Raphael! Deine Worte treffen es vorzüglich, ja, wir leben den Berg und sind mit ihm und seinen Elementen verbunden. Tag für Tag.
    Beste Grüsse
    Patricia

Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschaftlerin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

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Autorin Trailrunning Guidebook

 

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