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Sanetsch: la vita è bella

Erst im Juni dieses Jahres habe ich die Traumrouten am Sanetsch für mich entdeckt. Sie passen so voll und ganz in mein momentanes Kletterbefinden: kurzer, bequemer Zustieg, ruhige Landschaft, nicht so viel Trubel, viel Auswahl, erstklassiger Fels (!) und eine faire Absicherung, die die Psyche nicht vor all zu grosse Herausforderungen stellt. Nun konnte ich Hari mit all diesen Parametern überzeugen, anstatt einem weiteren Skyrun bzw. einer speedigen Bergtour endlich mal wieder mit mir einen Klettertag zu verbringen.

 

Mit der Seilbahn schweben wir von Gsteig mühelos nach oben, die gemütlichen 40 Minuten Zustieg bis zum Einstieg der beiden Routen "Follomi" und "la vita è bella" am Montons legen wir kräfteschonend zurück. In der benachbarten Follomi wird bereits fleissig weiter oben geklettert und zum Sektor Orphée ist auch eine Seilschaft abgebogen. Aber ansonsten geht es eher ruhig zu im Gebiet, obwohl einige Camper, Autos und Wohnmobile am Parkplatz stehen. 

 

Die erste Seillänge führt über rauhe, graue Platten. Hier darf sogleich getestet werden, ob die Sohlen genügend Reibung aufweisen. Wer diese Länge mit Bravour meistert, wird auch weiter oben kaum auf grössere Schwierigkeiten stossen. Wer bereits in dieser Länge zaudert und zögert, sollte sich eventuell eine andere, leichtere Route suchen. Nach der Gehpassage (Seillänge 2) steilt sich die Wand auf. Ein Meer aus Wasserrillen, griffigen Schuppen und Steilplatten. Die erste 6c Länge beschränkt sich auf einen Boulder, der aber durchaus Athletik und Fingerkraft erfordert. Bei den nachfolgenden leichteren Längen schwärme ich beim Klettern vor mich hin: "wie geschraubt" und "herrlich, das ist das Beste, was ich seit langem geklettert bin", entweicht über meine Lippen. Besonders die eine Länge entlang einer Steilplatte, in der sich die Moves von Schüppchen zu Schüppchen fast mühelos auflösen (wenn man die Füsse richtig platziert) bringt mich erneut zum Jubeln. Weiter oben folgt die Route wasserzerfressenem mit Wasserrillen durchzogenem Fels, ein Gedicht! Schliesslich mündet sie in das Felsband ein, dass aus einer Mischung aus Hohgantsandstein (wie im Raum Interlaken) und granitähnlichem Fels besteht. Ich bin kein Geologe, kenn mich daher nicht aus, doch die Ähnlichkeit von Reibung und die runden Griffformen erinnern mich eben schwer an die Interlakener Sportklettergärten...

 

Wie sich für eine Genusskletterei gehört, ist der Abstieg nur noch Formsache. Er ist ab der Scharte, wo man die Grasflanke in die schrofige Südseite hinunterverlässt, bestens mit Farbe markiert. Er schlängelt sich durch plattiges Gelände, über Grastritte und entlang von Schotter. Konzentriert muss man dennoch sein, das Gelände ist zu steil um einen Fehltritt zu machen. Und der Helm auf dem Kopf macht weiterhin Sinn. Beim Abstieg kommt man schliesslich bei den Routen des rechten Wandteils vorbei, wer also noch Kraft verspürt, kann direkt in die nächste Route starten.

 

Wir bevorzugen zu unseren am Einstieg deponierten Rucksäcken zurückzukehren und gemütlich den Rückweg zur Seilbahn anzutreten. Immerhin wartet in Saanen noch ein Einkehrschwung im Bistro auf uns, Hari's Geburtstag will gefeiert werden. Dass sich der Plan dann nicht ganz so ausgeht, wie erhofft, ist eine andere Geschichte und dass ein karges Biberli anstatt Apéro-Platte und ein kühles Bier herhalten muss... Grund genug, wieder die Reise an den Sanetsch anzutreten!

 

Facts zur Route "la vita é bella", 6c

- die Absicherung empfand ich als wirklich gut, da wo es schwierig ist, steckt immer ein gut zu klippender Bolt. Wo es leichter ist auch weitere Abstände (3-5m). Man könnte teilweise mit mobilen Sicherungsmitteln ergänzen, ist im Prinzip aber nicht nötig. (Für den Nachsteiger hab ich mal etwas gelegt, um einen Pendler zu vermeiden). Stände jeweils mit 2 Bolts und verbundenem Seil, im unteren Teil auch zum Abseilen mit Maillon eingerichtet.

- Seilbahn kostet 18CHF mit Halbtax (retour), fährt von 8:30Uhr-17Uhr, was sich für sämtliche Klettereien dort oben am Sanetsch gut ausgeht.

- Die Route verläuft relativ nahe an der "Follomi", man könnte daher an mehreren Stellen jeweils in die benachbarte Route ausweichen.

- die 6c Seillängen weisen jeweils nur eine schwierige Stelle (Boulder) auf, allgemein ist die Route nicht anhaltend oder ausdauernd. Wer gut auf den Füssen steht (was bei diesem Fels einfach ist ob der perfekten Reibung!) wird die Kletterei als sehr genussreich empfinden, gewürzt mit ein paar anstrengenderen Passagen.

- 12 Express, 1-2 verlängerbare Express

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschaftlerin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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