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Lagginhorn Winterbesteigung

Nach einem vielversprechenden Winterauftakt mit bereits perfekten Langlaufloipen in Aeschi, erreichte passend zu den Festtagen rund um Weihnachten das fast schon obligatorische Tauwetter die Schweiz. Gute Ideen waren gefragt, wollte man nicht im Grünen die Ferienzeit verbringen...Ich überflog die Schweizer Landeskarte und blieb an einem Altbekannten hängen: unser vielgeliebtes Lagginhorn. "Du, Hari, was meinst? Ist das realistisch?", schoss es mir direkt über die Lippen. 

 

Mit den zwei weiteren Spurmaschinen Abdi und Matic im Schlepptau, formierte sich unsere ambitiöse Truppe ziemlich schnell. Da brauchte es nicht mehr als eine kurze WhatsApp-Nachricht "Lagginhorn am Dienstag, bist dabei?" zur Überzeugung für das Vorhaben. Ratz fatz noch eine Ankündigung bei Roberto und Clara, den Hüttenwirten der Weissmieshütte, dass wir die Nacht vom 26. auf den 27. 12. bei ihnen verbringen würden. Blieb nur noch die Materialfrage und der Zeitplan. Aus Erfahrung heraus, wobei ich mit der Besteigung eines 4000er ohne Ski im Hochwinter Neuland betrat, rechneten wir lieber etwas mehr Zeit ein und bevorzugten zwei Eisgeräte mitzunehmen. Auch wenn diese schliesslich nur am Rucksack blieben und unsere Skistöcke sich als bestes Hilfsmittel zur Fortbewegung erwiesen, wussten wir ja nicht, was uns wirklich erwarten würde. Die Fragen, wieviel Schnee uns tatsächlich erwarten würde, wie tief wir einsinken würden, wie eisig es sein würde, würden wir erst unterwegs auf Tour beantworten können. Einen Puffer einzubauen kann also nie schaden...

 

Hüttenübernachtungen sind nicht so mein Ding. Diese war definitiv anders. Wir Vier, neben zwei weiteren Damen, waren die einzigsten Gäste. Wir durften demnach einen entspannten, lustigen Nachmittag/Abend verbringen und ohne Stress am Frühstücksbuffet in den nächsten Morgen starten. Noch im Finsteren (6:40Uhr) setzten wir bereits mit den Steigeisen an den klobigen Winterbergschuhen den ersten Schritt in die klirrend kalte Nacht. Es gab minimal Neuschnee, vielleicht 2 Zentimeter, also nicht der Rede wert. Dafür starker Wind, der noch immer zu hören ist. Eingepackt mit mehreren wärmenden Schichten und Fäustlingen an den Händen erfolgte der Warmup im Dunkeln über die eisige Piste (ohne Steigeisen vermutlich hier die erste Crux;-). Gegen 7Uhr zeichnete sich die Mischabelkette bereits auf der gegenüberliegenden Talseite ab und der Sternenhimmel verlor nach und nach an Wirkung. Was dann folgte, war einfach nur unbeschreiblich: Die Mischabelkette in pastellfarbenenes Licht getaucht, weiche Übergänge am Horizont, die Bergwelt begann zu leuchten wie aus dem Bilderbuch. Unsere Spurarbeit wurde also von dieser herzzerreissenden Atmosphäre begleitet, die ihresgleichen suchte. 

 

Kälte ist hart. Hart aber herzlich. Wenn man die Schönheit darin erkennt. Solche Farbübergänge und Töne gibt es einfach nur im Hochwinter bei klirrender Kälte. Und von der phänomenalen Aussicht am Gipfel des Lagginhorns, habe ich euch noch gar nicht berichtet. Wir konnten den ganzen Alpenbogen überblicken, während der Lago Maggiore in der Tiefe funkelte. Momente, wo die Zeit stehen bleibt. Trotz des starken Windes, trotz der Kälte, trotz der Anstrengung, trotz der Höhe. Gerade in diesen Momenten setze ich mich den Elementen am liebsten aus: exponiert im Wind zu stehen formt das Tüpfelchen auf dem I. Lässt mich lebendig sein, lässt mich selbst spüren. Anraum klebt am Gipfelkreuz. 

 

Der Abstieg, ein Krampf und Kampf um ohne gebrochenes Bein die 1200 Höhenmeter Blockgrat zu überstehen. Stolpern, im Schnee steckenbleiben, die Balance verlieren, wieder herauspulen aus dem Schneeloch, ausrutschen, aufrichten, umkippen, aufstehen, trotz Stöcken. Ohne Galgenhumor geht schliesslich fast nichts mehr. Ausser ein paar Löchern mehr in unseren Hosen überstehen wir den K(r)ampf zum Glück unbeschadet. Dass wir deutlich schneller als gedacht waren, verschafft uns noch Zeit ausgiebig Mittag zu essen auf der Weissmieshütte und unser Abenteuer zu besiegeln. Eine ungewöhnliche Aktion, aber eine, die neue Energien freigesetzt hat. Ich glaube, ich könnte mich mit dem Winterbergsteigen noch anfreunden...:-)

 

 

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschaftlerin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

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Autorin Trailrunning Guidebook

 

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