Ganz gefeit ist man gegen die "schneller, höher, weiter"-Mentalität ja nicht. Ab einem gewissen Punkt braucht es eine klitzekleine Dosis mehr. Warum also nicht das im Sommer liebgewonnene Rennvelo mit der Trailrunningausrüstung kombinieren und noch ein wichtiges Detail in das Gesamtpaket einfügen: einen der Hausberge damit zu besteigen. Zur Krönung schenkten wir die ganze Challenge als Geburtstagsgeschenk unserer gemeinsamen Freundin Giulia, die sich ebenfalls für Rennveloausflüge und leichte Hochtouren begeistern mag. Der Plan war auf dem Papier einfach, wenn auch nicht ganz so simpel im Detail. Jedenfalls musste unser Sherpa Matic unter der Last seines Bergrucksacks (der Gentleman hatte sich als Sherpa für unsere Ausrüstung angeboten) auf dem Rennvelo ganz schön leiden. Die Aerodynamic litt massivst unter der Last und der Unförmigkeit des Gepäcks. Und noch mehr als die Windschnittigkeit, sein Rücken.
Doch schauen wir uns zuerst den Plan im Detail der Reihe nach an:
Wir starten um 7:00Uhr bei Helligkeit in Aeschi b. Spiez, unserem Wohnort, und radeln gemeinsam zur Griesalp, wo wir die Rennvelos gegen die Trailrunningschuhe eintauschen werden. Inklusive dem Wechsel von den "Windelhosen" zu einer lockeren Running-Shorts und was es sonst noch so an Gimmicks fürs Speedhiken benötigt. Seil, Pickel, Micro-Crampons, wir sind bewaffnet bis über beide Ohren um dem Grat aufs Gspaltenhorn die Zähne zeigen zu können, falls es uns etwas Schnee und Eis entgegenzusetzen hätte. Dass es an diesem perfekten Samstag voller Harmonie und Wohlgefallen uns zahm und gutmütig empfangen würde, konnten wir nur erahnen, aber nicht hundertprozentig wissen. Auf dem Rückweg sollten wir in der Gspaltenhornhütte grosszügig einkehren um uns für den langen Rückweg nach Aeschi zurück kräftig zu stärken. Immerhin warten da am Ende nochmals üble Höhenmeter Anstieg von Mülenen hinauf. Soweit so gut. Der Plan stand.
Was mir als Erstes in Erinnerung kommt, wenn ich an diesen Tag zurück denke? Dass er mit Leichtigkeit über die Bühne ging. Wenn die Motivation hoch ist, Neues zu wagen und die Bedingungen ein relaxtes Zeitmanagement zulassen, sind die Voraussetzungen für einen Tag im Zeichen des Flows gegeben. Wir Drei genossen jeden einzelnen Meter, plauderten, diskutierten, schmiedeten neue Pläne, lauschten den Geräuschen der Natur oder auch der Stille und zelebrierten jeden Klettermeter zum Gipfel des eindrücklichen Gspaltenhorns, das auf dem Grat festeren Fels aufweist, als man vermuten würde ob der Brüchigkeit seiner steilen Flanken. Ein Tag wie aus dem Bilderbuch. Ein Tag der Freundschaft. Ein Tag der strahlenden Gesichter.
Danke Giulia, Danke Matic. Es war mir eine Ehre mit euch!
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Hans Bichsel (Sonntag, 25 Februar 2024 19:06)
Vor sechzig Jahren, am 2./3. September 64, mit Werner Munter, AACB, durch die NE-Wand.
Der Schönheitsfehler: wir mussten die Direttissima verlassen und auf den NW-Grat ausweichen, den wir beim Bösen Tritt erreichten. Die untere Wandhälfte: reine Genusskletterei; die obere: ein Trümmerhaufen; die letzte Seillänge äusserst heikel, weil der Wind die Route mit einer beträchtlichen Ladung Pulverschnee bedeckt hatte. Daselbst null Sicherung, die diesen Namen verdient hätte. Entsprechend die finale Erleichterung: total!