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Eiger Westflanke

Mit den Ski kenne ich die Westflanke des Eiger, welche so einfach per Seilbahn von Grindelwald zu erreichen ist. Doch bisher hat mich ihr bröselig schattiges Antlitz im Sommer nicht sonderlich angemacht. Ich hatte eine Besteigung des Eiger über die Westflanke noch nicht mal in Erwägung gezogen. Bis zu dem Tag, als Matic den Vorschlag machte, dem Eiger über ebendiese Route einen Besuch abzustatten. Erst dann beschäftigte ich mich mit der Routenführung und sah mir ein paar Fotos an. Noch immer konnte mich dieser Anstieg nicht restlos überzeugen. Es brauchte Matic Besteigung 3 Tage zuvor und seinen Lagebericht, um mich von der Couch zu bewegen und für die Route begeistern zu lassen.

 

Zum Glück. Denn um ehrlich zu sein, taugte mir der Anstieg von der ersten Minute an. Bis zum Magic Mushroom, dem markanten, freistehen Felsturm der Basejumper, ist der Weg gut ausgetreten und sogar markiert. Klassisches T4 Gelände. Erst danach nimmt die Routenfindung an Fahrt auf und erfordert die alpine Spürnase. Ein fast senkrechter Felsaufschwung ist mit Seilen gesichert, an denen man sich dankend hinaufzieht und beim Abstieg am besten abseilt (ein 30m Seil ist ausreichend). Steinmänner weisen den Weg, aber auf einem Abschnitt von gut 400Hm verirrt sich kaum ein Steinmann und das Gelände ist von der eigertypisch üblen Sorte: Schutt auf Felsplatten. Wer hier feuchte oder sogar vereiste Verhältnisse vorfindet, wird ins Grübeln kommen. Und die Routenfindung ist bei weitem nicht trivial. Steigspuren verteilt über die gesamte Bandbreite deuten darauf hin, dass hier fast jeder sich "etwas verkoffert", wobei alle Wege zum Gipfel führen. Im oberen Teil trifft man dann auf Sicherungsstangen, die besonders für den Abstieg noch hilfreich sein können. Schliesslich ist der Weiterweg offensichtlich, immer am Grat entlang, wo das Gestein durchaus fest ist. 

 

Im Abstieg dann darf man sich ja nicht in die grosse Westflanke verleiten lassen, prinzipiell orientiert sich die Route schon mehr Richtung Grat. Also ganz und gar nicht wie die Winterroute, die zunächst objektiv recht gefährlich unterhalb der Eisseracs verläuft und dann ziemlich mittig durch die Flanke und erst im oberen Teil Richtung Grat hinüberleitet. 

 

Ich traf an diesem Tag perfekte, also staubtrockene Verhältnisse und relativ milde Temperaturen an, so dass nichts vereist war. Dies liess mich auch in meinen Inov-8 unterwegs sein und mit leichter Ausrüstung, wobei ich einen Leichtgurt, Abseilgerät und mein 30m Seil dabei hatte. Das weiche Gummi mit den groben Stollen machte sich vollends bezahlt. Auf den glatten Eigerplatten klebt das Gummi und dort, wo Schuttauflage ist, greifen die Stollen. Wenn ich mir vorstelle hier mit harten Bergschuhen unterwegs sein zu müssen...da würde ich mich definitiv unwohl fühlen. Nach 2h 6 Minuten und 30 Sekunden erblicke ich das Sonnenlicht, es ist Vormittag und angenehm warm auf der Südseite, so dass ich mir eine Gipfelrast von über einer halben Stunde gönne. Froh, endlich dem kühlen Schatten entflohen zu sein. Geblendet, von den grossen Gletscherflächen. 

 

Eindrücklich präsentierte sich mir die Nordwand des Eiger während meinem Anstieg. Ich konnte nicht umhin und musste ganz an die Kante treten. Saugende Tiefe unter mir, ein eiskaltes Lüftchen weht nach oben, Nordwandluft. Noch ein Foto und noch eines, obwohl mir die Hände ohne Handschuhe schön langsam gefrieren. Doch diese schattige Seite zieht mich in ihren Bann. Sie ist ebenfalls staubtrocken und Steinschlag ist im Sekundentakt zu hören. Doch eine gewisse Sehnsucht macht sich breit...vielleicht ergibt es sich irgendwann doch einmal, durch sie auf der klassischen Linie zu klettern. Und wenn es nur beim Träumen bleibt, ist auch gut. Jedenfalls war ich nicht zum letzten Mal am Eiger über die Westflanke. Ein Hoch auf die Eigergletscherbahn, die uns die Knie schont und gleichzeitig grandiose Bergerlebnisse ermöglicht! In der Nähe der Zivilisation und doch irgendwie unendlich weit entfernt...

 

 

Infos:

 

Schwierigkeiten:

T4 bis zum Magic Mushroom, danach T5+(?). Jedenfalls beschränken sich die Schwierigkeiten auf sauberes Steigen, Klettern ist nicht angesagt. Die einzigste Kletterstelle ist mit einem Fixseil entschärft. Doch wer nicht gewohnt ist auf Platten und Geröll zu laufen, wird vermutlich den Schwierigkeitsgrad auf T6 erhöhen müssen. Eine gute Spürnase, dann läuft es sich äusserst effizient entlang von Bändern. Besonders im Abstieg gilt volle Konzentration! Ein blöder Schritt und man kullert womöglich die gesamte Westflanke hinab! Zeit lassen und lieber kurz überlegen. Oft sind 2m weiter links oder rechts bereits einfachere Verhältnisse anzutreffen.

 

Mit Seilbahn bis Eigergletscher ab Grindelwald, Terminal. Direkt hinter dem Terminal beginnt ein deutlich sichtbarer Pfad und es finden sich zahlreiche blau-weisse Markierungen (Abstiegsroute vom Klettersteig).

 

Unbedingt trockene Verhältnisse abwarten, bei Vereisung extrem heikel!

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschaftlerin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

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Autorin Trailrunning Guidebook

 

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