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Korsika: mit dem Rennrad, zu Fuss und Kletterfinken

Die Calanches im Westen der Insel - Küstenstrasse durch rote Felsenlandschaft
Die Calanches im Westen der Insel - Küstenstrasse durch rote Felsenlandschaft

Aktivferien

"Die Neuhausers - die können nicht einfach mal kurz, klein oder entspannend" hörte ich kürzlich jemanden sagen. Damit hat er gar nicht so Unrecht, auch wenn wir aus der Eigenperspektive natürlich nie zitierten Eindruck haben. Erst im Nachhinein, nach den Ferien, wenn der Körper und Geist nach Ruhe schreit, wird mir bewusst, wie aktiv unsere Freizeitgestaltung in den Ferien mal wieder war. Die positive Seite: man sieht verdammt viel, lernt die Insel aus allen Perspektiven kennen. In 10 Tagen erlebt man per Velo, Trailrunning- und Kletterschuhen das gesamte Spektrum von Weite, Landschaften, aber auch Details wie Blumenreichtum und Felsbeschaffenheit. 

Weltreise mit der Fähre

Doch bevor es soweit ist, muss man eine gefühlte Weltreise überstehen. Der Feiertagsverkehr trug nicht gerade zum positiven Erleben der Hinreise bei, die Schweiz versank im Stauverkehr und wir mittendrin. Die glorreiche Idee, dass es am Grossen St. Bernard bestimmt keinen Stau hat, hatten viele andere auch. Lange Wartezeiten musste ein jeder an Auffahrt in Kauf nehmen. Und so tuckerten wir erst am Abend in Livorno ein, wo wir die Nacht bereits auf der Fähre verbringen durften, auch wenn die Fähre erst am nächsten Tag um 8 Uhr am Morgen Richtung Bastia ablegte. Immerhin, mit Oropax lässt es sich in den klimatisierten Kabinen ganz gut aushalten und so erreicht man zumindest ausgeschlafen am frühen Nachmittag die Insel der Begierde.

Corte

Als Stützpunkt hatten wir uns im Vorfeld für die Region Corte im Landesinneren entschieden. In Casanova, eine 10-minütige Autofahrt von Corte entfernt, finden wir eine ruhige Ferienwohnung, die fast besser als Zuhause ausgestattet uns jeglichen Komfort für die nächsten 10 Tage bieten würde. Rund um Corte warten nicht nur die zwei malerischen Täler Restonica und Tavignano, das kleine Universitätsstättchen mit der Zitadelle oben auf dem Hügel, bietet auch belebte Strassen und Plätze zum Essengehen, Einkaufen und ist verkehrstechnisch in alle Richtungen ideal gelegen.

mit dem Rennrad...

Solenzara Loop

Zunächst der rolligen Küstenstrasse entlang, dann über ein verkehrsarmes Bergsträsschen nach Conca (vom anfänglichen Asphalt nicht abschrecken lassen, wird gleich besser!) mit schönem Downhill nach Sainte Lucie di Porto-Vecchio. Ab da leider wenig erquickendes Zwischenstück auf der Hauptstrasse bis zum Abzweiger nach Araggio, bevor der lange, südseitige Anstieg zum Ospedale See beginnt. Es wird heiss! Dafür die Hochebene landschaftlich umso reizvoller. Nach der Bocca d'Illarate rollt es grösstenteils bergab bis Zonza, wo sich eine Pause im netten Örtchen empfiehlt. Wir wählten Crêpes mit Vanille-Glacé, bevor die nicht allzu steile Auffahrt zum Bavella Pass beginnt. Landschaftlich eines der grossen Highlights der Insel, leider sehr touristisch und der Asphalt in der Abfahrt nach Solenzara hinab oftmals ziemlich schlecht. Aufpassen ist also angesagt, auf Löcher, auf Autofahrer, Motorräder,...

Fotos

Col de Sevi /Col de Vergio

Auf diese Art und Weise eine eher unkonventionelle Runde, aber warum nicht mal eine Bergankunft einplanen und damit das Col de Vergio in seiner ganzen Länge vom Meer weg erobern? Wir lassen es also zunächst einmal westwärts bergab rollen, durch kurvigen Wald, bevor der Abzweiger zum Col de Sevi erfolgt. Ein hübscher, flowiger Anstieg, verkehrsarm und ok Asphalt. Die Abfahrt dann sportlich lässig bis ans Meer hinab bei Sagogne. Entlang der Küstenstrasse nach Cargèse, von wo ein weiterer Uphill nach Piana hinauf durch Hitze des Tages leitet. Nie besonders steil, aber der puren Sonne ausgeliefert. In Piano empfiehlt sich eine Pause, wir bevorzugen ein Sandwich und kalte Getränke unter schattenspendenden Bäumen und füllen im Supermarkt nochmals auf. Das Filetstück durch die touristische, aber traumhafte Calanche bis nach Porto hinab folgt, wo es in den über 30 Kilometer langen Anstieg zum Col de Vergio übergeht. Zum Glück im unteren Teil meist im Schatten und recht flowig, oben sind über mehrere Kilometer 6% Steigung in Kauf zu nehmen. Und wer nochmals nachtanken muss, Elisa bietet sich an vom Velo abzusteigen und im kleinen Supermarkt oder in einem der Restaurants einen Halt einzulegen. Die Bergankunft: unbeschreiblich! Der höchste Pass Korsikas.

Fotos


Col de Vergio Ostrampe

Nachdem der höchste Pass von Westen bereits Spass gemacht hat, wollen wir ihn schliesslich auch noch von seiner Ostseite erobern. Hierzu können wir sogar von der Unterkunft starten und stossen dabei auf ein kleines Bijou: zwischen Corte und Ponte Castirla führt eine sanft ansteigende (in beide Richtungen), gut asphaltierte und verkehrsarme Strasse zum Eingang der Schlucht. Die Schluchtstrasse ist spektakulär, aber auch ziemlich eng für den Verkehr, ein Chaos, wenn sich Reisebusse kreuzen. Auch der Strassenbelag ist miserabel, aber ok mit Rennrad, wenn man sein Augenmerk nicht nur auf die spannende Schlucht richtet. Ab Calacuccia dann neu geteert. Ein Segen und grandios mit oftmals nur 2-3 Steigungsprozent extrem flowig bis zum Pass hinauf zu fahren. Den gleichen Weg retour zu nehmen, bringt neue Perspektiven und den Vorteil, dass man bereits auf ein Verkehrschaos vorbereitet ist, wobei zu späterer Stunde der Touri-Verkehr deutlich abnimmt.

Haut-Asco

Tier lassen sich in seiner ganzen Pracht doch am besten zu Fuss oder mit dem Velo erkunden. Während hier im Sommer die Hölle los ist, präsentiert sich uns das Asco Tal Anfang Juni noch von seiner friedlichen Seite. Zunächst führt kurz nach Ponte Leccia eine breite Strasse mit langen Geraden durch das noch flache Gelände, erst ab dem Camping Cabanella beginnt das Tal Form anzunehmen. An unzähligen Badegumpen entlang schlängelt sich die hübsche, wenig ansteigende Strasse durch die Schlucht. Die grossen Höhenmeter beginnen kurz vor Asco, dafür dann ungewöhnlich steil für korsische Verhältnisse. Zuletzt dann sogar in langgezogenen Serpentinen und wunderbar eingebettet in die Berglandschaft mit ihren hohen Gipfeln nach Haut-Asco zur Skistation. Mit über 1300 Höhenmetern in der Tasche empfiehlt sich ein Einkehrschwung, bevor es anschliessend easy retour geht. Die Asphaltqualität wird erst zuhinterst ab dem Camping Monte Cinto schlecht.


Col d'Erbajo/ Col Sorba Loop

Und noch so eine unerwartet, grossartige Bijou-Runde mit zwei Pässen. Der erste Pass praktisch verkehrsfrei und top Asphalt, dazu schöne Panoramasicht. Nach dem Col d'Erbajo folgt eine Flowabfahrt, die kaum lässiger sein könnte. Nie steil, konstant am treten und mit hohem Tempo. Ein kurzes Verbindungsstück, danach folgt der Inzecca Schluchtanstieg mit einer in den Fels gehauenen Strasse. In Ghisoni angekommen ist es Zeit für eine Rast, eine nette Beiz unter schattenspendenden Bäumen ist Treffpunkt der auf dieser Route in der Vielzahl angetroffenen Velofahrern. Der folgende Anstieg zum Col Sorba kurzweilig, oder war es die vorangegangene Pause, die neue Kräfte aufkommen liess? Die Abfahrt vom Col eines der Korsika Highlights, Serpentinen wie auf den grossen Alpenpassstrassen. Ab Vivario dann Hitze, Verkehr und die breite Hauptstrasse retour zu unserer Unterkunft. Das Fleissprogramm.


Klettern

  • Acqua di Rocca

Bei tagtäglichen 30-35 Grad im Schatten denkt man kaum ans Klettern, zumal die Klettereien sich im Restonicatal auf der Südseite abspielen. Mit einer Ausnahme, die Route Acqua di Rocca verlauft auf der Nordseite eines markanten Turms, der Kletterführer lobt sie in höchsten Tönen. Also nichts wie hin am Schlechtwettertag (aka für den Nachmittag sind Quellwolken und evtl. ein paar Tropfen gemeldet) der Ferien und von den nachmittäglichen Wolken profitieren, die sich dann hoffentlich vor die Sonne schieben und der Hitze den Gar ausmachen. Der Plan klappte soweit ganz gut, die aufziehenden Sturmböen hatten wir allerdings nicht auf unserem Radar, was das Abseilen äusserst prekär macht. Im strukturierten Tafonifels verhängt sich nur all zu gerne das Seil beim Abziehen. Ein zurückgelassenes Doppelseil ist Mahnmal eines solchen Manövers...

 

Da seit den Unwettern von 2023 das Restonicatal nur noch bis zum Camping Tuani mit dem Auto befahren werden kann, laufen wir die zusätzlichen 30 Minuten auf der Strasse in der bereits gnadenlos brennenden Sonne. Wir sind froh, als wir endlich den Abzweiger über den Bach nehmen können und in den Wald eintauchen. Die letzten 30 Minuten Zustieg sind steil, aber gut ausgetreten. Was wir auch nicht wussten, nach Regen wird der Untergrund extrem glitschig. Blütenstaub wirkt wie Schmierseife. Also Vorsicht, wenn Regen angekündigt ist. Es gibt eine kurze Plattenpassage im Zustieg zu bewältigen, diese war unmöglich zu begehen, wir kämpften uns daher nebenan durch die Maccia.

 

Die Route, ein Gedicht. Beste Absicherung und traumhafter, roter Fels. Die Griffe oft rund, was die Kletterei eher technisch macht. Originelle Seillängen, besonders die Riesenverschneidung, die es in Kamintechnik und 3D-Kletter-Style zu erklimmen gilt. Zuvor ein Spezialquergang. Die Cruxlänge top gesichert, hier heisst es gut stehen auf den sloprigen Formen. Danach athletische Kletterei über ein Tafoni-Dach hinweg, fast wie an Tufas zu turnen. Knieklemmer inklusive. Aber lassen wir doch die Bilder sprechen, seht selbst:

 

 

  • Candide et Martin

Spät abends zu klettern ist natürlich die andere Option, wenn das Nordseitenspektrum bereits erschöpft ist. Wir schleppten also unser Klettergeraffel südseitig den steilen Berg hinauf, um die 4 Seillänge Route, ein Klassiker im Restonicatal, zu klettern. Die erste Seillänge bietet unbeschreiblich geniale Felsstrukturen, Tafoni in allen Varianten, die einer Henkelparade im Steilen in der Halle ziemlich nahe kommen. Danach wird die Kletterei unheimlich technisch, ein gutes Bewegungsgefühl an sloprigen Strukturen, aber mit perfekter Reibung, trotz warmen Temperaturen, wird abgefragt. Nicht nur einmal rufe ich zu Hari am Stand hinunter, dass das jetzt eine geile Sequenz war. Befriedigende Kletterei mit guter Absicherung und schöner Sicht über das untere Restonicatal.

Trailrunning aka "Kampfwandern"

Nein, auf Korsika seine Laufschuhe zu schnüren und flowige Laufkilometer absolvieren zu können, ist eine Illusion. Zumindest im Restonica- und Tavignano Tal fordert das Gelände einen trittsicheren, im technischen Gelände versierten Trailrunner, der bereit ist, die meisten Kilometer im Speed-Hiking-Style zurückzulegen. Selbst wenn der Wanderweg breit ist, besteht er aus steinigem Untergrund, der in Bewegung ist.

 

Zu beachten gilt auch, dass für den Hin-/Rücktransport ins Restonicatal bis/ab i Frasseti vorab per App das Shuttle gebucht werden muss. Etwas mühsam, da man ja nicht genau weiss, wie lange man für die Runde brauchen wird. Im Tal hat es nämlich keinen Empfang und das Shuttle nimmt einen ohne Reservierung für die angegebene Uhrzeit nicht mit! Man kann nicht mit Bargeld zahlen!

 

2 Loops, die sich trotzdem unbedingt empfehlen:

  • Arche Corte Loop
  • Restonica Loop

Arche Corte Loop

Restonica Loop


Schlemmen

wie die Weltmeister. Der Supermarkt in Corte (Auchan) bietet alles, was das Herz begehrt. Aber Achtung, nicht immer alles täglich (je nachdem, was die Fähre bringt an frischem Gemüse und Obst). Unsere allabendlichen Kochorgien, der Herr Neuhauser für die Hauptspeise zuständig, die Frau Neuhauser für die Beilagen, Vorspeisen und den Abwasch, genossen wir in vollen Zügen, treu nach dem Motto: "ohne Mampf, kein Dampf"! mit korsischem Wein und feinem IPA aus Corte.

Baden

Und wenn es zu heiss wird, frohlocken unzählige Badeplätze an den Gumpen und Bachläufen. Ob im Restonica, im Tavignano, Bavella, Asco,...Für Abkühlung ist also gesorgt. Einen halben Tag baden, einen halben Tag Klettern. Oder nach dem Velofahren. Eisbäder für die Beine, wie die Profis;-)

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschafterin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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