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Niesen Nordostflanke Zentralcouloir 2.0

Tag für Tag. Zu jeder Jahreszeit. Immer für mich da: mein Hausberg. Die klotzige Niesenpyramide wirft zwar ihren Schatten auf Aeschi, trotzdem komme ich nicht umhin, tagtäglich zumindest einen spärlichen Blick auf die finstere Nordseite zu richten. Von der gemütlich-warmen Couch versteht sich. In Kälteperioden weicht der Blick einem stetigen Beobachten, per Auge, per Fernglas, per Spektiv. Kaum eine Veränderung, kaum ein Detail kann sich dann meinem Adlerauge entziehen, das wie wild die mächtige Flanke nach kletterbaren Bedingungen absucht. Die Faktoren für sichere und gute Verhältnisse stellen sich nämlich nur spärlich ein. In manchen Jahren überhaupt nicht. Wenn die Zeichen für einen "go" verdammt gut stehen, werde ich meist kribbelig. Dann muss man parat sein, auch wenn der 01.01. ansteht und die Nacht etwas kürzer ausfallen könnte. Doch was gibt es schöneres, als das neue Jahr mit dem Hausberg zu beginnen?

Bei Tageslicht um 8 Uhr starten wir also frohen Mutes ins neue Jahr bei der Talstation Mülenen. Die 3,5km flache Strasse ist eher weniger prickelnd mit den klobigen Bergschuhen, gehört halt dazu zum Unterfangen. Aber besser jetzt frisch am Morgen als am Abend nach dem elenden 1700Hm Abstieg. Die Verhältnisse sehen vielversprechend aus, verfestigter Schnee im Couloir, ausgeblasen der obere Grat/die Flanke zum Gipfel, unten nicht besonders tief, so dass wir gut Meter machen. Die erste Crux ereilt uns eher unerwartet. Der Einstieg in die "Schwierigkeiten" (eine ca. 10m hohe Stufe) im Couloir frisst sogleich meinen lieben Mann Hari, der zielstrebig vorauseilt, bewaffnet mit den beiden Eisgeräten und zunächst mal in die "Randkluft" bis zum Bauch einbricht. Ein kräftiger Arm, noch am Eisgerät verankert, zieht sich sogleich wie am eigenen Schopf, aus der Misere heraus. 

 

Was letztes Mal Eis war, präsentiert sich uns heute nur als Crushed-Ice-Variante. Ein Schneegemisch, das sich nur wenig verdichtet und die Eisgeräte durchrutschen lässt. Unangenehm. Äusserst unangenehm. Besonders für den Zweiten. Denn dann ist nicht mehr viel übrig uns er darf seinen Joker aus dem Ärmel ziehen. Stemmen, Stützen, gute Tritte hacken und voooorsichtig belasten. Die heiklen 10m schaffen wir. Danach liegt die Crux vorerst in der Ausdauerkomponente. Schneestapfen im Couloir. Gespickt mit ein paar kleineren Aufschwüngen, die an Eisklettern erinnern. Und selbst die steile 3m Eisstufe von vor 2 Jahren entpuppt sich dieses Jahr nur als harmloser Aufschwung, der mit knüppelhartem Schneeeis easy zu meistern ist. 

 

Schliesslich ist Turfen angesagt, meine Lieblingsdisziplin an diesem Berg. Im steilen und weniger steilen Gras, das perfekt gefroren und somit gutmütig die Eisgeräte aufnimmt, gärtnern wir uns Richtung Nordgrat. Aus dem Kessel zuerst nach links, dann nach rechts aufsteigend traversierend. Der leichtesten Linie nach. Von hier oben erspäht man schliesslich die Gipfelterrasse und wähnt sich schon in himmlischen Sphären, aber Achtung mit der Vorfreude: es zieht sich noch gewaltig! Insbesondere, da sich im oberen Abschnitt am Nordgrat meist grieseliger Schnee aufstaut, der mühsam, da tief, zu spuren ist. Immer wieder hilft nur sich am Eisgerät an den Grasmutten rauszuziehen. So eine Art Boulder.

 

Um so erquickender der Empfang des gleisenden Sonnenlichts kurz unterm Gipfel des Niesen. Noch ein Foto mit dem berühmten Niesenschatten im Hintergrund bevor wir das Geländer zur Gipfelterrasse überturnen. Grossartig! Auf dem Hausberg, bei noch angenehmen Hochwintertemperaturen, mit Blick auf zuhause und meinem Lieblingsmenschen. Was will man mehr?

 

Stopp, da war noch was. Der Abstieg! 1700 elende Höhenmeter Abstieg. Aber das ist eine andere Story...zum Glück vergisst man die Strapazen immer recht schnell und ist bereits nach wenigen Tagen schon wieder hochmotiviert fürs nächste Abenteuer;-)

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Patricia Neuhauser

 

Sportwissenschafterin, MSc

Präsidentin Verein trail-maniacs

Online-Autorin SAC Tourenportal

Autorin Trailrunning Guidebook

 

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